Installationsansicht Thoughts on Becoming - Lilli Falzoi 2024
Installationsansicht Thoughts on Becoming - Noah Kohlbrener 2024


Noah Kohlbrenner & Lilli Falzoi
Thougts on Becoming
13.09.2024 - 13.10.2024

Auf der Suche nach dem Unerforschten und Kategorielosen begleiten wir Lilli Brontë Falzoi und Noah Kohlbrenner ein Stück. Sie suchen nach dem, was überfordert, dem, was in einer patriarchalen Welt so rar ist, und streifen durch Momente und Räume, die ihnen beim Neudenken unserer Körper begegnen. Ihre Arbeiten bieten Möglichkeiten für Momente, in denen wird. Sie sollen nicht den Mustern folgen, wie wir es erwarten; sie sind störend, ungemütlich und fordernd. Falzoi und Kohlbrenner erkunden das Potenzial für andere Denkweisen über unsere Körper und deren Beziehungen zur Gesellschaft und Umwelt. Inspiriert von Momenten, in denen Glitches und Cracks in unserem glänzenden Weltbild auftauchen, führen sie uns durch Möglichkeiten hindurch, die daraus entstehen.

Die Körper, die sich in den Arbeiten von Lilli Brontë Falzoi wiederfinden, orientieren sich an dem queerfeministischen Verständnis von Legacy Russell als Glitch, als Störung in einem System. Durch Störung entsteht Verwirrung und Überforderung. Versuchen wir der vorgegebenen Ordnung zu folgen, scheitern wir daran, die maskierten Körper zu kategorisieren. Durch dieses Scheitern werden wir auf unsere internalisierten Stereotypen aufmerksam: Wem wird beim Betrachten der Arbeiten Aufmerksamkeit geschenkt? Und was übersehen wir? Beim Stolpern eröffnet sich ein Zwischenraum, in dem es möglich wird, über Gewalt- und Machtverhältnisse sowie über eigene Erwartungen an Körper nachzudenken. Falzoi arbeitet gezielt mit diesen Fragen, etwa in Form der Autos oder auch nur Fragmente davon, die immer wieder ihren Platz in der Ausstellung finden. Die Autos können als patriarchales Symbol gelesen werden, als ein männliches Statussymbol. Was macht es mit unserer Vorstellung, wenn eine weiblich gelesene Person darin sitzt? Sie beschäftigt sich in ihrer Arbeit damit, wie Darstellungen eines weiblich gelesenen Körpers in einer Welt- und Bildsprache, die durch einen cis-männlichen Blick gesteuert ist, existieren und stören können. Im unteren Ausstellungsraum gibt es eine Verschiebung, eine Gegenüberstellung zum Digitalen. Der Wechsel zu 3D ermöglicht es uns, in einen Raum einzutreten, in dem sich die gewohnte Umgebung auflöst. Die Spannung zwischen der Auflösung und dem Konkreten wird sichtbar. Wir werden Teil eines forschenden Prozesses, eines kontinuierlichen Dialogs zwischen der Malerei und der virtuellen Realität. Wenn wir uns ein bisschen Zeit geben, wird dieser Drang nach Zuordnung aufhören, und vielleicht wird es möglich, wirklich zu sehen, was hier ist.

«Sollen die alten Erzählungen nicht einfach zu Gruselgeschichten verkommen, die man touristisch aufbereitet und inszeniert, tun wir gut daran, sie aufmerksam zu lesen und neu zu gestalten», meint die Walliser Autorin Ursula Walser Biffiger. Mit genau diesem Moment arbeitet Noah Kohlbrenner. Die Mythen und Sagen wieder zu lesen und von patriarchalen und christlichen Verhüllungen zu befreien, bis sie richtig zum Vorschein kommen, ermöglicht es uns, die Geschichten mit der Gegenwart zu verweben. Die Erzählungen können als Reaktion auf eine Welt im Umbruch verstanden werden. Die Arbeiten entstehen ausgehend von spezifischen Landschaften, die Schauplätze bedeutender geografischer sowie ökologischer Veränderungen sind und Spuren menschlicher Eingriffe zeigen. In diesem Sinne funktionieren sie als Dialoge zwischen Menschen und ihrer Umgebung. Die Walliser Sagenwelt ist in den Arbeiten von Kohlbrenner zentral. Figuren daraus streifen durch die ausgestellten Malereien. Durch aktuelle und uns vertraute Gegenstände kommen sie uns nah, bewegen sich in unserer Welt. Es gibt eine Überschneidung. Sind wir zusammen im Nachtleben unterwegs oder stehen Faune zwischen den Bäumen? Sind die Stiefel ein Relikt aus alter Zeit oder habe ich sie stehen gelassen? Das Nachdenken über Landschaften und ihre gesellschaftliche Wirkmacht, die Verbindung zu uns Menschen und zu einer eigenen Identität, die durch Geschichten entstehen kann, sind in den Ausschnitten versteckt. Wir werden durch eine Untersuchung geführt, Bild für Bild, die uns einen Einblick in Gedanken gibt, zu menschlichem Wirken und was dies alles sein könnte.

Lilli Brontë Falzoi studierte an der Universität der Künste Berlin, wo sie im Juli 2023 ihren Abschluss in der Klasse für Malerei bei Nadira Husain und Marina Naprushkina absolviert hat.

Noah Kohlbrenner studierte nach seiner abgeschlossenen Lehre als Grafiker an der Zürcher Hochschule der Künste Fine Arts und schloss im Juni 2024 seinen Bachelor ab. Zudem studierte er für ein Semester an der Universität der Künste Berlin in der Klasse von Valérie Favre.


Die Arbeiten werden bis zum 11. Oktober zu sehen sein. Am 5. Oktober findet in diesem Rahmen ein Erzähl- und Leseabend mit Momo Bera, Johanna Brummack, Anna Lena Eggenberg und Kaija Knauer statt.

Text: Vera Blaser